Vielleicht ist Chaos nur die Sprache des Wandels?
“Und plötzlich war das Leben lauter als meine Ausreden.”
Taxis, Stimmen, Hupen — alles war zu laut, zu nah, zu viel. Ich fand mich inmitten der Gran Vía wieder, in einer Menschenmasse, die alles von mir verschluckte; trieb mit ihr in Richtung Nordosten hinunter — und trotzdem fühlte ich mich wie die einzige ohne Richtung. Der Duft aus Autoabgasen und Parfüm breitete sich in meinen Lungen aus und legte sich betonschwer auf meine Brust. Madrid presste sich gegen meine Haut — laut, chaotisch — und erstickte mich fast. Und plötzlich hatte das Leben keine Lust mehr, mir meine Illusionen zu lassen. Alte Muster, Ängste und Sorgen meldeten sich zurück. Ein Schlag ins Gesicht, ehrlicher als jeder Spiegel.
Ich dachte — oder wollte glauben — ich wäre weiter. Heiler. Reifer. Unerschütterlicher.
”So viel zur Theorie …”
Doch da war es wieder: dieses vertraute Brennen — nicht vom Schmerz selbst, sondern von der Erkenntnis, dass ich ihn noch kenne. Vielleicht waren es nicht die alten Muster, die zurückkamen. Vielleicht war ich es, die noch nie richtig gegangen war. Die sich nie wahrhaftig gelöst hatte.
Nachdem ich das erkannte, erlebte ich ein Aufatmen — dieses Aufatmen, das mit dem tiefen Verständnis einhergeht, wenn man sich selbst sieht. Das Problem ungefiltert, schmerzlich roh erkennt. Also setzte ich dort an; fing an, an mir zu arbeiten. Und für einen kurzen Augenblick fühlte ich mich leichter. Ich dachte, ich hätte nun wirklich „verstanden“. Mich verstanden.
Aber das Leben liebt es, mich vom Gegenteil zu überzeugen.
Doch dann — einen Tag später — drehte ich mich wieder im selben Loop: gleicher Schmerz, gleiche Gedanken, gleiche Herausforderung. Als hätte das Universum mir einen Vorgeschmack auf Heilung gegeben, nur um zu prüfen, ob ich wirklich bereit bin, nicht zu fliehen, wenn sie länger andauert, als ich erwartet hätte.
Es gab keinen Heldenmoment. Keinen Blick, der mich gerettet hätte. Kein dramatischer Filmkuss. Nicht einmal Hintergrundmusik. Es blieb nur die nüchterne Gewissheit, dass es sein muss, weil es eben ist, was es ist. Leben erleben — mit allem, was dazugehört. Auch die schmerzlichen, harten Phasen, in denen einem der Atem stockt, bis die Gefahr vorübergezogen ist.
Diesen Loop zu drehen, bis man wahrhaftig versteht, dass Schmerz manchmal das Ticket für die nächste, stärkere Version von uns selbst ist. Dass wir klüger aus dem Schmerz, den Sorgen und Ängsten herausgehen werden, auch wenn wir in diesen Augenblicken das Ende des Tunnels noch nicht sehen können.
Es war nicht Mut, es war Durchhalten. Nicht Stärke, sondern Dranbleiben. Nicht Licht, sondern die Entscheidung, nicht im Dunkeln stehen zu bleiben — denn die Sterne am Himmel sind nach einer rabenschwarzen Nacht nur noch schöner anzusehen. Vielleicht tragen wir uns selbst genau in den Momenten, in denen wir glauben, den Boden unter den Füßen zu verlieren.
Was, wenn Stolpern kein Rückschritt ist —
sondern genau der Schritt, der uns in die richtige Richtung führt?